«Rhythm & Rails» – von Chicago nach New Orleans
11. März 2014Nachdem ich vor zwei Jahren die spektakuläre Amtrak Zugreise mit dem Namen «Empire Builder», die unter anderem direkt durch den magischen Glacier National Park führt, erleben durfte, hatte ich schon lange Lust auf mehr: die ganz neu lancierte Strecke Chicago–New Orleans in restaurierten, historischen Pullman Zugwagons schien daher geradezu perfekt!
Beide Städte, Chicago und New Orleans, gehören zu den attraktivsten Reisezielen in den USA und dass sie durch dieses historische Zugabenteuer «Rhythm & Rails» nun verbunden sind, schien nur zu verlockend.
Chicago ist der ideale Ort, um mehrere der berühmten Amtrak Routen zu beginnen oder zu beenden. Die neue Route «City of New Orleans» im Amtrak Fahrplan ist nicht so bekannt wie der bereits erwähnte «Empire Builder» oder der unvergleichliche «California Zephyr», beide mit spektakulären Abschnitten durch und über die Rocky Mountains, aber dafür ist die Länge der Reise perfekt. In etwas weniger als 20 Stunden Fahrt, mit einer Übernachtung an Bord, kann man hier die Nostalgie des Zugreisens in vollen Zügen geniessen und dazu zwei komplett verschiedene Stadterlebnisse kombinieren!
Bereits das Check-in in der komfortablen Metropolitan Lounge von Amtrak ist ein erstes tolles Erlebnis. Auch alle Sleeper Car Reisen von Amtrak beginnen in dieser Lounge. Schon vor zwei Jahren fand ich dies einen sehr faszinierenden Ort mit einem ganz einzigartigen Ambiente, wenn die typische «All Aboard» Stimme im Lautsprecher Orte wie St Louis, Los Angeles, Dallas, San Francisco, Seattle, New Orleans etc. ausruft. Und wie sich dann Leute geordnet erheben und vom hilfreichen Personal zu ihrem Zug geführt werden, worauf sie dann in all diese berühmten Städte entschwinden. Eine Eleganz, die man am Flughafen nicht mehr findet!
Und als wir dann auch ausgerufen und zu unseren historischen Zugwaggons geführt wurden, begann eine Reise in welcher ein Höhepunkt dem anderen folgte…..
Sogar die Taschenuhr des Conductors war historisch original!
Nach einem Glas Champagner als Willkommensgruss im privaten Sleeper Abteil, serviert vom eigens uns zugeteilten Butler, der auch gleichzeitig diskret das Gepäck verstaute, traf man sich dann im toll restaurierten «Colorado Pines»-Parlor Car zum Apero!
Kurz darauf, nach interessanten Gesprächen mit den anderen Gästen (es waren sowohl ein Sammler von Pullman Memerabilia mit «Assistentin», ein Autor von mehreren Büchern über die Geschichte der American Railroad, ein Honeymoon-Paar als auch ein paar «Normalsterbliche» wie wir an Bord) wurde dann auch schon zum Nachtessen gebeten.
Während dem erstaunlich guten, frisch im Zug gekochten Abendessen bereitete der professionell als Butler ausgebildete Paul unsere Betten für die Nachtruhe vor. Wie die meisten, ausser das Hochzeitspaar, das angeblich bis um 3 Uhr morgens im Parlorcar weiter feierte, zogen wir uns dann auch schon bald in die Privatsphäre unseres eigenen Sleepers zurück.
Nicht jedermann schien mit den recht unregelmässigen Schienen gleich gut zum Schlaf zu finden, aber da es ja nur für eine Nacht ist, scheint das weniger ein Manko als ein Teil des Erlebnisses zu sein. Es wäre fast schade, die ganze Nacht im Tiefschlaf zu verbringen. Im Halbschlaf nahm ich dann auch wahr, dass wir in Memphis Halt machten und entschied, das nächste Mal einen oder zwei Tage Aufenthalt in dieser ebenfalls interessanten Stadt zu buchen. Dann schlief ich aber dann doch ein!
Nach einem herzhaften Frühstück, welches man entweder privat im Sleeper oder wieder im Colorado Pines einnehmen konnte, waren dann noch 6 Stunden des Relaxens, Beobachtens und gemütlichen Plauderns angesagt.
Vorbei an endlosen Baumwollplantagen….
… und entlang endlos scheinender Seen und Bayous!
Nach Ankunft im ebenfalls sehr sympathischen Bahnhof von New Orleans verbrachten wir eine Nacht im Royal Sonesta Hotel das mit seiner reichen Geschichte und perfekt renovierten Zimmern ein geradezu ideales Kombinationspaket zur Zugreise darstellte. Ein spektakuläres Dinner im eleganten Revolutions Restaurant des Sonesta, ein weltweit berühmter Brunch im «Court of the Two Sisters» mit Live Jazz Musik und ein wenig flanieren im French Quarter machten den Kurzaufenthalt unvergesslich.
Für mich ging es dann um 15 Uhr wieder auf den Zug zurück in Richtung Chicago. Obwohl mir die Temperatur in New Orleans mit 20 C° einiges mehr zusagte als der leichte Oktoberschneefall in Chicago bei der Abreise am Tag zuvor, freute ich mich doch, nach einer weiteren Nacht im Zug auch noch ein wenig Chicago erkunden zu können. Obwohl wir es zu zweit toll hatten im Sleeper, muss ich gestehen, dass ich ganz glücklich war, als mir auf der Rückfahrt das ganze Abteil alleine gehörte!
Ein kleines Detail zum «Rhythm and Rails»: die historischen Waggons sind am Ende des Amtrak-Zuges angehängt.
Es ist natürlich nicht möglich, vom einen Teil des Zuges zum anderen zu gehen, aber der grosse Vorteil ist, dass die Amtrak Züge jeden Tag nach Fahrplan unterwegs sind und so die Pullman-Waggons je nach Bedarf angehängt werden können. So kommt es kaum je zu Last Minute-Absagen, wenn nur wenige Gäste gebucht sind.
Weiter gibt es für Reisende somit auch immer die Alternative, im normalen Amtrak Zug dieselbe Reise zu machen. Beides hat seinen Charme und seine Vorteile. So ist zum Beispiel der Sleeper im historischen Zug eine renovierte 1st Generation von diesen Sleeper Cars, die weiter vorn im Zug dasselbe Design haben, aber als 4th Generation desselben Modells eher komfortabler sind.
Auf der Rückreise hatten wir sogar eine Filmcrew von einer TV News-Station an Bord, die sowohl in New Orleans wie auch in Chicago über diese tolle Reise berichten sollte.
In Chicago angekommen, noch immer etwas unsicher auf den Beinen nach 2 Tagen auf recht holprigen Schienen, war ich dankbar, im Essex Inn ein schönes und geräumiges Zimmer beziehen zu dürfen.
Ich fragte mich, was ich mit meinen 24 Stunden in dieser so vielseitigen Stadt tun sollte, und sobald ich die Aussicht aus meinen Zimmer sah, war mir klar, dass ich nach 2 Tagen im Zug einfach möglichst viel zu Fuss gehen wollte. Obwohl Chicago mit seinen beiden grandiosen Aussichtsterrassen auf dem 94. Stockwerk des Hancock Observatory (das Erlebnis im schnellsten Lift Amerikas ist einmalig!) und dem noch höheren Wills (ex Sears) Tower zwei World Class Attraktionen hat die man nicht verpassen darf, auch wenn man wie ich beide schon mehrmals besucht hat, entschied ich mich diesmal für einen langen Spaziergang entlang der Magnificent Mile, einen Abschnitt der Michigan Avenue, wo sich exklusivste Boutiquen, alte und moderne Architektur und weltberühmte Museen miteinander vermischen.
Der Gratis Shuttle des Essex Inn brachte mich hinauf bis zum Water Tower, einem der beliebtesten und ältesten Gebäude Chicagos. Nach 3 Tagen atemberaubender Aussichten über endlose Ebenen und Bayous war die architektonische Vielfältigkeit dieser Stadt genau das Richtige. Der Gegensatz liess mich diese alten und neuen Monumente wie Water Tower, Tribune Tower, Hancock Center noch mehr bestaunen als sonst. Als ich schliesslich beim imposanten Wrigley Building am Chicago River angekommen war, verweilte ich für einige Zeit auf der Brücke, um dem Treiben der Boote zuzusehen. Ich war in dem Moment sehr glücklich, dass Anja, unser Product Manager für den Osten der USA, eine Architectual River Tour ins Programm für 2014 eingebaut hat und ich machte mir selber ein Versprechen, diese Tour beim nächsten Besuch zu machen.
Es war eigentlich mein Ziel, bis hinunter zum John G Shedd Aquarium zu wandern um dieses endlich mal kennenzulernen, aber «The Bean» war im Weg. Diese weltberühmte, hochpolierte Stahlstruktur und all die anderen einmaligen Prunkstücke im Millenium Park, ein wahres architektonisches Freiluftspektakel, liessen mich so lange verweilen und geniessen, dass ich nicht mal merkte, wie es plötzlich dunkel geworden war.
Zum Glück ist Chicago genauso berühmt für Pizza wie für Haute Cuisine in Restaurants von weltbekannten Köchen. Denn nach einem kurzen Besuch in meinem Hotel hatte ich gerade noch die Kraft, zwei meiner Lieblings-Pizzerias aufzusuchen, um je ein Stück typische Chicago Style (deep pan) Pizza zu geniessen.
Am folgenden Morgen schloss ich dann dieses Abenteuer gebührlich ab; statt mit Taxi oder Shuttlebus fuhr ich zur Abwechslung mit dem cta Blue Line Zug für nur $2.25 direkt in den modernen O’Hare Airport hinein.