Wenn Hausschuhe beleidigen und «Ja» eigentlich «Nein» bedeutet…

Wenn Hausschuhe beleidigen und «Ja» eigentlich «Nein» bedeutet…

Reise-Reporter, 11. Februar 2013

…dann bist du wohl in Japan gelandet! Kaum ein Land birgt bei einer vergleichbaren Entwicklungsstufe so viele kulturelle Unterschiede und Anlässe in Fettnäpfchen zu treten – die im besten Fall amüsieren, im schlimmsten Fall beleidigen – wie Japan.

In meinem Studium der Interkulturellen Kommunikation war Japan und die japanische Kultur regelmässig Gegenstand der Vorlesungen und ich fühlte mich dementsprechend gut gerüstet für meinen Trip nach Tokyo. Pustekuchen! Die kleinen aber tiefen Fettnäpfchen lauern an jeder Ecke und so konnte auch ich das eine oder andere nicht auslassen.

Toco Hostel in Tokio - die Wände sind aus Reispapier

Toco Hostel in Tokio – die Wände sind aus Reispapier

Ich möchte mein «Leid» in diesem Beitrag mit allen teilen, die ihre Japan-Reise noch vor sich haben. Oder es bei der nächsten besser machen wollen! Nach der Lektüre seid ihr vielleicht ein wenig besser gewappnet und dem unvergesslichen Japan-Erlebnis steht nichts mehr im Weg…

U-Bahnnetz Tokios: Wie soll man sich in Japan auch zurechtfinden?!

U-Bahnnetz Tokios: Wie soll man sich in Japan auch zurechtfinden?!

5 Punkte, die Japan-Reisende kaum umgehen können

1. «Sag niemals nie» – und erst recht nicht «Nein»

Jeder, der in Japan Taxi fährt, sollte vorher ein Experte im richtigen Fragenstellen werden. Warum? Zwei Gründe: Japanische Adressen sind absolut frei von jeder Logik und es ist schier unmöglich, ein Haus zu finden, ohne vorher die lokale Polizei nach dem Weg zu fragen. Und: Ein klares «Nein» gilt in Japan als extrem unhöflich. Wer ahnt schon, was jetzt kommt? Genau! Der Tourist schwingt sich ins Taxi und nennt dem Fahrer die Adresse. Der sagt «Ja». Und verfährt sich.

Der vorbereitete Tourist weiss eventuell um das Adressendilemma in Japan und hakt nach: «wissen Sie, wo das ist?». Was der japanische Fahrer wieder bejaht. Alles richtig gemacht, denkt sich der Europäer. Dem ist aber nicht so. Ein «Nein» bekommt man in Japan so gut wie nie zu hören. Und «Ja» kann in Japan so ziemlich alles heissen. In den meisten Fällen bedeutet es aber schlicht «ich habe [akustisch]? verstanden» oder «so machen wir es».

Shibuya - die wohl bekannteste Kreuzung der Welt

Shibuya – die wohl bekannteste Kreuzung der Welt

2. Kloschlappen: Wirklich nur auf dem Klo tragen!

Beim Betreten eines japanischen Tempels Hauses, sei es ein Hostel oder das Haus einer japanischen Familie, werden die Strassenschuhe ausgezogen. Daran scheitern die meisten Reisenden oft schon und Fauxpas Klappe die Erste hat zugeschnappt. Damit die Füsse nicht kalt werden (und weil Fusssohlen in Japan kein besonders beliebtes Körperteil sind), stehen in Hostels und Privathäusern üblicherweise Hausschlappen bereit. Europäer haben damit oft ihre Freude – ähnlich wie die Frauen mit Lotusfüssen im chinesischen Kaiserreich – denn die Schlappen sind in der Regel viel zu klein für Otto Normalverbraucher aus unseren Breitengraden.

Hat man diese Hürden dennoch überwunden, dann kommt nun die ultimative Herausforderung: Beim Weg auf die Toilette stolpert man über ein weiteres Paar Schlappen (meist aus Plastik). Dabei handelt es sich um die Kloschlappen, die, wie der Name erahnen lässt, nur auf der Toilette zu tragen sind. Kann sich der ungeübte Tourist denn von der japanischen Standard Hightech Toilette mit geschätzten 2578 Knöpfen für Musik, Wasserrauschen (um das eigene Rauschen zu übertönen) und Darmspülungen (ja, wirklich!) losreissen, ist der nächste Fauxpas schon vorprogrammiert: Er schlappt mit den Kloschuhen zurück in den Wohnbereich und ist sich keiner Schuld bewusst. Bis er die entsetzten (und angewiderten) Blicke der Japaner sieht…

Ihm passen die Standard Hausschlappen wahrscheinlich auch nicht.

Ihm passen die Standard Hausschlappen wahrscheinlich auch nicht.

3. Essstäbchen: Nur beim Totenkult ins Essen stecken

Sushi erfreut sich seit einigen Jahren auf der ganzen Welt grosser Beliebtheit, auch bei uns. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass wir wissen, wie man Sushi isst. Geschweige denn, wie man mit Stäbchen isst. Und selbst wenn – dank viel Übung und der Veranlagung zum Feinmotoriker – tatsächlich über 50% des Essens im Mund landen, gibt es noch immer reichlich Gelegenheit, Japaner in Verlegenheit zu bringen.

Man sollte nie Essen von Stäbchen zu Stäbchen reichen oder die Stäbchen in das Essen stecken. Stäbchen sind ein fester Bestandteil des Bestattungsrituals und des Totenkults in Japan (sie machen es einem auch nicht leicht, ich weiss) und die genannten Anfängerfehler werden damit in Verbindung gebracht! Und der Tod ist auch in Japan kein angebrachtes Gesprächsthema bei Tisch…

Beim «Ramen» Essen kann man nicht viel falsch machen

Beim «Ramen» Essen kann man nicht viel falsch machen.

4. Taschentuch: Schniefen statt Schnäuzen

Wofür man als Kind noch von Oma zurechtgewiesen wurde, wird man in Japan jetzt animiert. Läuft die Nase, sollte der Reisende sich in Japan den automatischen Griff zum Taschentuch schnell abgewöhnen. Sich in ein Taschentuch zu schnäuzen gilt in Japan nämlich als extrem unfein und sollte in der Öffentlichkeit und vor allem beim Essen tunlichst vermieden werden. Also: Lebt das Kind in euch aus und schnieft und zieht die Nase hoch! Oder verlasst kurz den Raum und schnäuzt euch, wie es uns einst eingebläut wurde…

5. Vistenkarten: Niemals beschreiben oder wegpacken

Der letzte Punkt ist keinesfalls nur für Geschäftsleute relevant: Mir wurden während meiner Zeit in Japan Visitenkarten von Hostelangestellten, Restaurantbesitzern und Händlern überreicht – es ist also eine gute Idee, vor der selbst noch Visitenkarten drucken zu lassen (Geheimtipp für alle, die es ganz richtig machen wollen: bedruckt sie auf Japanisch auf der Rückseite!).

Doch Vorsicht bei der Visitenkarten-Übergabe! Auch hierfür gibt es in Japan eine genaue Reglementierung. Visitenkarten sollten beispielsweise von bestmöglicher Qualität sein und immer mit beiden Händen übergeben bzw. entgegengenommen werden. Ist man erst im Besitz der Visitenkarte, ist man jedoch noch lange nicht raus aus der Fettnäpfchen-Gefahrenzone. Die Visitenkarte sollte nach Erhalt (mit zwei Händen!) eingehend begutachtet und gewürdigt werden und keinesfalls gleich weggepackt werden. Vielmehr sollte sie in Sichtweite bleiben, um schnell darauf zurückgreifen zu können. Kommt auf keinen Fall auf die Idee, die Visitenkarte zu beschreiben! Auch das ist verpönt in der japanischen Kultur.

Tsukiji - der grösste Fischmarkt der Welt

Tsukiji – der grösste Fischmarkt der Welt

Überfordert? Verängstigt? Abgeschreckt?

Keine Sorge! Wie viele andere Kulturen sehen auch Japaner Ausländern ihr Fettnäpfchen-Hopping bis zu einem gewissen Grad nach. Macht euch also nicht verrückt, wenn ihr in der einen oder anderen Situation in eure alten Gewohnheiten verfallt. Wenn ihr eine brenzliche Situation allerdings «fettfleckfrei» meistert, wird euch das sicher hoch angerechnet!

Ich jedenfalls hatte eine unvergessliche Zeit in Tokyo! Und wie an so vielen Orten waren es letztendlich die Menschen, die das Land zu diesem unverwechselbaren und aussergewöhnlichen Ort machen.

Vielen Dank an die Reise-Reporterin, Lisa Hessler, für diesen tollen Reisebericht und die Bilder.

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