Die Reisterrassen von Yunnan
7. November 2014Sowohl in landschaftlicher als auch in kultureller Hinsicht gehört Yunnan zu den abwechslungsreichsten Gegenden Chinas. Besonders beeindruckend und einmalig in ihrer Art sind die Reisterrassen von Yuanyang. Je nach Lichtverhältnissen und Jahreszeiten präsentieren sie sich in den verschiedensten Farben. Die einheimischen Bergvölker nennen sie «Leitern zum Himmel».
Yunnan-grosse Artenvielfalt
«Königreich der Pflanzen» oder «Grüne Krone Chinas» wird die südwestlichste Provinz Chinas genannt. Nirgendwo sonst im Land existiert eine so grosse Artenvielfalt. Mehr als die Hälfte aller hochwertigen Pflanzen Chinas und über 3’000 seltene Tierarten sind in Yunnan zu finden. Die Landschaft beeindruckt mit imposanten Schneebergen (der höchste ist 6’740 m hoch), Gletschern, breiten Flusstälern, tiefen Schluchten, urwüchsigen Wäldern, zahlreichen Seen und heissen Quellen.
Spektakuläre Kulturlandschaft
Yunnan grenzt an Myanmar, Laos und Vietnam. Auf 394’000 km² leben hier etwa 42 Millionen Menschen aus 26 der insgesamt 55 verschiedenen ethnischen Gruppen. Sie werden auch Grenzvölker genannt, denn über 4’000 Jahre lang wurden sie von den regierenden Han-Chinesen aus den fruchtbaren Schwemmebenen im Umland des Gelben Flusses in die Gebirgsregionen vertrieben.
Aus ihrer Not haben die Geflüchteten eine Tugend gemacht und begonnen, die steilen Berghänge in Terrassen zu gliedern und auf den neu geschaffenen Ebenen Reis anzubauen. Über die Jahrhunderte ist so eine der spektakulärsten Kulturlandschaften der Erde entstanden.
Das Volk der Hani
Die beeindruckendsten Reisterrassen Yunnans liegen im Kreis Yuanyang, etwa 300 Kilometer von der modernen und betriebsamen Provinzhauptstadt Kunming entfernt.
Die bis zu 2’000 m hohen Berge wurden jahrhundertelang gezähmt und mit der Zeit sind ausgedehnte Terrassenfelder entstanden. Das Gefälle beträgt bis zu 75%, das ist einmalig auf dieser Welt. Schon in der Ming-Dynastie (1368 bis 1644) wurde die Region als eine der sieben bedeutendsten Ackerbau-Systeme Chinas erwähnt. Die hier arbeitenden Bauern gehören überwiegend dem Volk der Hani an, einer tibetanisch-burmesischen Sprachgruppe, die keine eigene Schrift hat und ihre Geschichte durch mündliche Überlieferung weitergibt.
Arbeitstier Wasserbüffel
Die glitschigen Wälle, die die einzelnen Terrassen abschliessen, dienen gleichzeitig als Wege. Die Bauern legen schwer beladen oft weite Strecken zurück. Gepflügt werden die bewässerten Felder mit Wasserbüffeln. Die Felder der Dörfer liegen immer unterhalb der Siedlung, von dort aus wird über ein komplexes Kanalsystem die Bewässerung und die Dünung geregelt.
Ein Kilo Reis
In den kalten Jahreszeiten wird an den Terrassen gearbeitet. Gemeinsam bessern die Bauern bestehende Terrassen aus oder legen neue an. Jedes Stück Land wurde schwer erarbeitet und wird sorgfältig bewirtschaftet. In den ersten Jahren wird Getreide und Gemüse angepflanzt, das nicht bewässert werden muss. Erst wenn die Erde gesackt ist, können Reis-Setzlinge eingepflanzt und der Boden unter Wasser gesetzt werden. Ohne den häufigen Regen könnten die Hani ihre Terrassen nicht bewässern, für die Ernte von einem Kilo Reis benötigen Sie 3’000 bis 10’000 Liter Wasser.
Fische und Crevetten
Das Wasser auf den Terrassen ist nicht nur Nährstofflieferant für den Reis, er schützt die Pflanze auch vor Frost. Die Hani züchten in den Feldern zusätzlich Fische und Crevetten, die die schädlichen Insekten vom Reis fernhalten. Im Herbst ist Erntezeit, wieder helfen alle mit. Ähren werden ausgeschlagen, die Reiskörner in der Sonne getrocknet und anschliessend gedrescht. Das Panorama ist überwältigend
Auf Wanderungen lassen sich die Terrassen gut erkunden. Meist führen schmale Pfade von den Dörfern aus oberhalb der Reisfelder entlang und bieten Ausblick auf ein überwältigendes Panorama. Touristen sind in dieser Gegend allerdings noch immer nicht alltäglich, deshalb ist es wichtig, dass Fremde mit dem Werk der Bauern vorsichtig umgehen und deren harte Arbeit nicht durch unachtsame Schritte zerstören.
Im Einklang mit der Natur
Die Reisfelder haben für die Hani auch eine grosse spirituelle Bedeutung. Wichtige Ereignisse wie die Namensgebung bei einem Neugeborenen finden auf den Terrassen statt, nach Ihrem Tod werden die Hani neben ihren Feldern begraben, damit sie dem Geschehen in ihrem Land aus der anderen Welt besser zuschauen können. Das Volk lebt noch heute im Einklang mit der Natur, und die Terrassenfelder in Yuanyang sind Zeuge dieser harmonischen Beziehung.