Unvergessliche Momente mit der Grizzly-Bärin «Daisy»
16. Dezember 2014Seit 20 Jahren lebe ich im Yukon, inmitten der grössten Grizzlybärenkonzentration Kanadas. Über die Jahre blicke ich auf viele schöne einzigartige, zum Teil lustige Begegnungen mit Grizzly- und Schwarzbären zurück. Bären gehören zu meinem Alltag.
Als ich eines Morgens mit verschlafenen Augen die Haustür öffnete sass ein junger Schwarzbär vor mir auf dem Türvorleger und sah mich mit entsetzten, riesigen Augen an.
Beide haben wir vor Schreck laut losgeschrien und uns in die entgegengesetzte Richtung aus dem Staub gemacht, seither sind wir uns nie wieder begegnet.
Ich musste lernen mich dem natürlichen Verhalten der Bären anzupassen. Bären sind faszinierende hochintelligente Tiere mit individuellen Charaktereigenschaften. So gilt es, trotz grundlegenden Verhaltensregeln, jede Bärenbegegnung neu einzuschätzen.
Daisy – die blonde Grizzly-Bärin
Trotz vorsichtigem und rücksichtsvollem Verhalten kann es ab und an auch zu heiklen Situationen kommen. Daisy, eine besonders schöne blonde Grizzly-Bärin, kenne ich seit vielen Jahren und begegne ihr immer wieder:
Vor zwei Jahren, an einem windigen Oktobertag positionierte ich mich mit meiner Kamera oberhalb des Bachbetts in der Böschung und wartete auf sie.
Gut erkennbar sass ich im offenen Gelände. Der Bär soll immer selbst entscheiden können, ob er die Distanz zum Menschen verringern möchte oder nicht. Schliesslich näherte sich die Bärin mit ihren zwei ausgewachsenen Jährlingen.
Alles ging sehr schnell. Mit zügigen Schritten liefen die drei Bären stromaufwärts durch den Bach und die Distanz zu mir verringerte sich rasch. Das Geräusch des Wassers und das rascheln der Blätter war lautstark.
Unglücklicherweise sass ich aus dem Wind und so konnten mich die Bären trotz Sichtkontakt nicht richtig wahrnehmen. Innerhalb weniger Sekunden wurde die Distanz zu den drei Bären nun so überraschend gering, dass ich es für besser hielt mich unauffällig und ruhig zu verhalten.
Eine heikle Situation. In der Hoffnung die Bärin würde mit ihren Jungen an mir vorbeiziehen blieb ich ganz still. Auf einmal hob Daisy den Kopf in meine Richtung und hatte mich in der Nase, stand mit einem heftig erregten Wuff-Bellen auf die Hinterbeine und griff sofort an.
Sie stoppte ihre Attacke vier Meter vor mir, wandte sich ab und liess mich mit rasendem Herz zurück.
Noch nicht vergessen…
Genau ein Jahr später sitze ich nicht unweit entfernt an der selben Stelle.
Diesmal ist alles ruhig und absolut windstill. Ich fotografiere einen Adler, der mir gegenüber auf einem Ast sitzt als ich plötzlich links von mir eine Bewegung wahrnehme. Daisy, diesmal alleine, nähert sich mir mit schnellen Schritten.
Ich spüre diese Begegnung ist nicht gut. Es scheint mir als erinnere sie sich an mich. Die Bärin kommt mit raschen Schritten frontal auf mich zu.
Ihr Blick ist herausfordernd, sie ist aggressiv und bewegt mich zum sofortigen Rückzug. Ich stehe auf, mache mich gross, spreche beruhigend auf sie ein und ziehe mich mit ruhigen Schritten zurück.
Für mich haben die Tiere Vorrang und ich ziehe mich, bevor der natürliche Distanzbereich überschritten wird, zurück. Fotografieren wird in solchen Momenten sekundär. Bären sind wilde Tiere und wollen nicht mit Menschen sozialisieren.
Ich distanziere mich davon, Bären für kommerzielle Selbstdarstellungszwecke aus viel zu naher Distanz zu fotografieren. Bären, die die natürliche Distanz zum Menschen (durch den Menschen) verlieren, sind tote Bären und müssen erschossen werden.
Ziel ist es, die Bären nicht in ihrem natürlichen Verhalten zu beeinflussen. Dies schützt den Bären und ebenso uns Menschen.
Mehr aus meinem Alltag
Erfahren Sie mehr aus meinem Leben und besondere Begegnungen mit der Natur und den Tieren Kanadas in einem meiner Vorträge.